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Rede von Außenministerin Baerbock bei der Veranstaltung zum Einsatz für einen Vertrag über ein Produktionsverbot waffenfähigen Spaltmaterials am Rande der UN-Generalversammlung

19.09.2023 - Rede

Hat es heutzutage Sinn, für nukleare Rüstungskontrolle einzutreten?

Einige – wahrscheinlich außerhalb dieses Raums – mögen sagen, das sei zwecklos in einer Welt, in der ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats einen Angriffskrieg führt, um seinen Nachbarn zu unterwerfen – und in der Proliferationskrisen und nukleare Aufrüstung den Kern des Nichtverbreitungsvertrages in Frage stellen.

Ich bin aber überzeugt, dass es gerade in dieser Welt wichtiger denn je ist, für nukleare Rüstungskontrolle einzutreten.

Weil wir alle eine Weltordnung aufrechterhalten wollen, die auf klaren Regeln beruht – auf dem Völkerrecht und unserer UN-Charta.

Und die nukleare Rüstungskontrolle ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Ordnung.

Weil sie unkontrolliertes Wettrüsten durch gegenseitige Zusagen zu Obergrenzen und Selbstbeschränkungen ersetzt.

Weil sie für Transparenz und Einblick in die Absichten anderer sorgt und so die internationalen Beziehungen berechenbarer macht.

Und weil sie für gemeinsame Regeln sorgt, durch die alle Menschen, alle Staaten mehr Sicherheit erlangen.

Aus diesem Grund wird Deutschland seine Arbeit zum Erhalt des Nichtverbreitungsvertrags und zur Verringerung nuklearer Risiken fortsetzen – gemeinsam mit Partnern aus Ost und West, aus Nord und Süd, im Rahmen der Initiative für Nichtverbreitung und Abrüstung ebenso wie im Rahmen der Stockholm-Initiative.

Und aus diesem Grund hält Deutschland auch an dem Ziel der Aufnahme von Verhandlungen über den Vertrag über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material, den FMCT, fest.

FMCT – das klingt sehr technisch. Und das ist es. Aber er ist auch extrem wichtig. Denn spaltbares Material liefert den „Zündstoff“, das „Dynamit“ für Kernwaffen.

Die Gleichung ist einfach: Je mehr spaltbares Material – desto mehr Kernwaffen. Doch die Welt braucht nicht mehr Kernwaffen. Sie braucht auch nicht mehr spaltbares Material. Sie braucht weniger davon.

Und doch ist unsere Arbeit daran, Verhandlungen überhaupt aufzunehmen, seit drei Jahrzehnten blockiert. Gleichzeitig wissen wir alle nach Jahrzehnten des Austausches zwischen unseren Fachleuten, wie ein FMCT aussehen könnte: Die erforderlichen Bestimmungen, die Inhalte der Verhandlungen, auf die wir uns einigen müssen, sind ganz klar.

Es ist also zweifellos eine Frage des politischen Willens, ob wir hier weiterkommen. Daher möchte ich die Botschaft wiederholen, die so viele von Ihnen heute übermittelt haben: Alle Staaten sollten endlich den Weg für die Aufnahme von Verhandlungen frei machen. Und die Staaten mit signifikanten nuklearen Fähigkeiten tragen in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung.

Deutschland ist bereit, seine Arbeit für einen FMCT fortzusetzen – in der Abrüstungskonferenz und über Resolutionen in der Generalversammlung. In einem ersten Schritt sollten alle Staaten freiwillige Moratorien für die Produktion von spaltbarem Material zur Nutzung in Kernwaffen verkünden und aufrechterhalten. Wir rufen China – den einzigen Kernwaffenstaat des NVV, der noch kein solches Moratorium verkündet hat – auf, dies unverzüglich zu tun.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

jetzt ist der Zeitpunkt, für nukleare Rüstungskontrolle einzutreten.

Nicht, weil wir naiv sind oder unrealistische Hoffnungen hegen.

Sondern weil das jetzt von entscheidender Bedeutung für eine Weltordnung ist, in der das Völkerrecht und gemeinsame Regeln Vorrang haben.

Eine Ordnung, die unsere Sicherheit und unseren Frieden schützt.

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